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1974 erschien Dungeons & Dragons bei TSR, und wenige Monate
später tauchten die ersten Nachahmer, Plagiatoren, Abkupferer auf.
Mit diesen wenig schmeichelhaften Bezeichnungen mußten sich Spielsysteme
wie Empires of the Petal Throne oder Tunnels & Trolls
zufriedengeben, denn immer wurden sie mit dem Erstling verglichen.
Irgendwann war D&D in seiner Urform ziemlich out, andere,
aus welchen Gründen auch immer gelungenere Rollenspiele gewannen ihre
Anhängerschaft und erweiterten das Feld. Das war natürlich gut
so, und niemand wird heutzutage mehr Vergleiche mit dem originalen D&D
anstellen, um eine Wertung vornehmen zu können.
Magic:
the Gathering hat eine ähnliche Vorreiterrolle inne,
und jedes neue Trading- Card- Game wird am Initiator dieser neuartigen
Spielidee gemessen. Mit Recht wurde deshalb TSRs Spellfire in Bausch
und Bogen verdammt, weil es keine Weiterentwicklung brachte, sondern die
Grundideen von Magic simplifizierte (Hack&Slay im Kartenspiel!)
Andere Kartenspiele orientieren sich zwar grundsätzlich auch an
Magic (natürlich dreht sich alles um Karten, und natürlich sitzen
sich wieder zwei Spieler pokerface-faxend gegenüber), bringen aber
abwechslungsreiche Elemente mit ins Spiel. Zu eben diesen ,,anderen" Kartenspielen
gehört Dark Force.
Zwei Dinge fallen nach dem Auspacken des Master Packs auf: Zum
einen sind die Karten größer als die amerikanischen Pendants,
wodurch sie weniger griffig sind, dafür aber mehr Informationen in
lesbarer Größe abbilden können. Zum anderen imponieren
auf Anhieb die wirklich erstklassigen Illustrationen! Obwohl eine riesige
Anzahl Zeichner engagiert wurde, die unterschiedliche Techniken und Stile
einsetzten, enttäuschen nur sehr wenige Bilder - dagegen sorgen Krzysztof
Wlodkowski, Andreas Rauth oder Dieter Rottermund für eine (farbenprächtige)
Stimmung, die für Spielkarten als beispielhaft gelten muß.
Dark Force läßt Länder entstehen, die verteidigt
werden müssen. Um das Spiel zu gewinnen und damit dem Gegner eine
zufällig gezogene Karte entreißen zu können, muß
der Gegner entweder Einheiten im Wert von mindestens 20 Punkten in Borons
Hallen ihr Leben aushauchen lassen, keine Karte vom Stapel nachziehen können
oder alle ausgelegten Geländekarten verloren haben.
Die Geländekarten sind zuerst einmal das A und O des Spiels. Steppe,
Wüste, Ebene und so fort werden - gemeinsam mit einem notwendigen
Held, der für die ,,Aktivierung" sorgt - auf der Spielfläche
offen ausgelegt. Jedes Gelände besitzt einen Kapazitätswert,
der über die Aufnahmefähigkeit für Kreaturen oder Armeen
Aufschluß gibt. Diese Maximalwerte gewinnen dann an Beachtung, wenn
geheim eben diese Karten unter dem dann dicker werdenden Geländestapel
deponiert werden.
Mit der Zeit wird sich auf der Spielfläche eine wild wuchernde
Landschaft ausbreiten, weil der Gegenspieler seine Ländereien entgegengesetzt
anlegt (damit eine klare Trennung markiert) und für eine nicht kalkulierbare
Gefährdung des eigenen Reiches sorgt. Und diese latente Gefahrenquelle
wird irgendwann dazu reizen, sie zum Versiegen bringen zu wollen.
Mit Armeen, Kreaturen, Helden und Zusatzkarten wie Zauber, Wunder oder
Ereignissen wird der Angriffsmarsch geblasen. Spieltechnisch greift ein
Spieler mit den unter einem bestimmten Gelände lagernden Einheiten
ein Gelände des Gegenspielers an. Abwechselnd werden die Spielkarten
zur Kampfaufstellung offen ausgelegt. Werte wie Kampf- und Magiestärke
entscheiden über den Ausgang der einzelnen Kämpfe, wobei ein
6seitiger Würfel noch den Faktor ,,Glück" mit ins Spiel bringt.
Als Ergebnis verzieht sich entweder der Angreifer schmollend ins Heimatland
- oder er erobert das Gelände samt sogenannten Erweiterungen (Städte
oder Bibliotheken oder andere Karten). Verlorene Einheiten werden in Borons
Hallen beigesetzt, und allzu schnell lagern dort die besagten 20 Punkte,
die über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Nur andeutungsweise konnten die vielfältigen Aspekte angerissen
werden, die Dark Force auszeichnen. Spieler des Schwarzen Auges
werden neben Thorwalern auch Geweihte des Praios- Tempels mit ihren Wundern
ebenso wiederentdecken wie den Zauberspruch Plumbumbarum. Für sie
ist Dark Force ein Muß!
Gehirnakrobaten werden begeistert sein, denn sogar die eigenen Kartenstapel
dürfen nach dem Auslegen nur bedingt inspiziert werden. Je mehr Länder
also ausliegen, desto mehr Verzweiflung macht sich breit: Wo hatte ich
noch meinen Drachen hingeschickt? Memory ist dagegen ein Klacks!
Magic-Spieler werden zur Dark Force- Gilde wechseln (oder
hin- und herpendeln), wenn ihnen ein nicht hektischer Spielaufbau mit viel
mehr Überlegung einer genauen Vorgehensweise mehr liegt. Es braucht
nämlich einige Zeit, bis sich aus dem zum Nachziehen reservierten
Kartenstapel die richtige Mischung für die Geländepräsentation
ergibt, da nicht alle Helden mit jedem Gelände korrespondieren (ein
Zwergen- Held in der Wüste - welch eine Zumutung). Deshalb beginnt
Dark Force langsam, kommt dann aber gewaltig!
Und Spieler, die bisher von Nichts eine Ahnung hatten, sollten sich
zwei Starterpacks erstehen und
sich ein Opfer suchen. Mit Sicherheit wird es nicht bei diesen Einstiegs-
Schachteln bleiben, weil Dark Force eine ebenso ansteckende Seuche
wie Magic ist. Natürlich wird mit Power
Packs nachgerüstet, denn immerhin sind 300 Karten verfügbar
- und wen erwischte nicht schon der Fluch der Sammelleidenschaft (und das
Wunder seltener in die Packs gepackt wurden als Geländekarten, macht
natürlich erst so richtig heiß...) Und natürlich werden
sich Spekulationen über neue Sonder-
Power Packs bewahrheiten. Bleibt nur die Frage: wann endlich?
Karl-Georg Müller